Autismus

Autismus – was ist das?

Autismus ist laut IDC-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO) eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Dies bedeutet, dass die Autismus-Spektrum-Störung bereits im Kleinkindalter erkannt werden kann, lebenslang bestehen bleibt und bestimmte Dinge im Gehirn und im Körper anders funtionieren. Im neuen ICD-11 wird Autismus umbenannt in Autismus-Spektrum-Störung, noch gilt allerdings eine Übergangsfrist, in der sich die diagnostischen Kriterien ändern werden.

Als diagnostische Merkmale liest man über

  • Störung der Kommunikation: Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung sprechen sehr oft in einer klaren, direkten Sprache und haben Schwierigkeiten mit indirekter Sprache („Gemeintem“) und Sprache in Bildern.
  • Störung der sozialen Interaktion: die Fähigkeit, menschliches Verhalten zu interpretieren und Gefühle automatisch zu spüren, ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Dies führt oft zu Unsicherheit gegenüber anderen Menschen, da nicht klar ist, was erwartet wird oder wie angemessen reagiert werden kann. Unausgesprochene soziale Regeln wie „das macht man doch nicht!“ werden schwer bis überhaupt nicht erkannt. Dies hat zur Folge, dass Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung sich häufig aus der Gesellschaft zurückziehen, da das ständige darüber Nachdenken „Wie verhalte ich mich richtig?“, „Was muss ich jetzt tun?“ immens viel Energie verbraucht und ein hohes Frustrationspotential mit sich bringt.
  • Störung der Exekutivfunktion: dies betrifft z. B. die Handlungsplanung, das Arbeitsgedächtnis, das Beginnen einer Aufgabe und auch das „Wann ist es gut genug“. Es ist günstig, wenn Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung mit einer Aufgabe abschließen können, da der Wiedereinstieg bei einer Unterbrechung schwierig ist. Auch ist es problematisch, zwei Dinge gleichzeitig zu tun, da man sich häufig so stark auf eine Aufgabe konzentriert, dass z. B. nicht realisiert wird, wenn der Lehrer eine neue Aufgabe verteilt. Es kann auch schwierig sein, bei durchnummerierten Aufgaben oder Anträgen eine Nummer zu überspringen. Dies alles muss nicht bei allen auftreten und die Beispiele sind nicht vollzählig.

Nicht in allen Bereichen werden sämtliche (Unter-)kriterien erfüllt, die Ausprägungen sind unterschiedlich und müssen individuell betrachtet werden.

Sensorische Auffälligkeiten

Bei einigen Menschen aus dem Spektrum gibt es Über- und Unterempfindlichkeiten in den verschiedenen Sinnesbereichen. Diese können von „gar nicht“ bis zu „sehr stark“ ausgeprägt sein und hängen zudem von der Tagesverfassung ab:

• Hören
• Riechen
• Schmecken
• Sehen
• Tasten
• Temperatur
• Schmerz
• Gleichgewichtssinn
• Lage- und Bewegungssinn (Propriozeption: sorgt dafür, dass Sie im Dunkeln die Toilette in der Wohnung finden)
• Organsinne: Hunger, Durst, Harndrang

Andere Entwicklungsaufgaben

Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung haben andere Entwicklungsaufgaben, da sie zuerst die Welt beobachten müssen, bis diese für sie überschaubar und berechenbar wird. In einer Welt aufzuwachsen, die nicht verstanden wird, erfordert von Eltern sehr viel Geduld und Erklärung. Das Schaffen von Sicherheit ist eine zentrale Aufgabe der Eltern. Dies wird von deren Umwelt nicht immer verstanden, da autistische Kinder aussehen wie alle anderen Kinder. Bei Kindern mit Autismus ist ein frühzeitiges Erkennen der Beeinträchtigung wichtig, damit die Entwicklung gut unterstützt werden kann. Themen zur Förderung können z. B. sein: „was ist eine Struktur“, sensorische Integration, die Neugierde wecken auf Interaktion, Sprachanbahnung, unterstützte Kommunikation und vieles mehr.

Mädchen und Frauen

Wir bemerken im Autismus-Kompetenzzentrum eine deutliche Zunahme der Fragen von Frauen sowie Eltern mit Töchtern, die ins Spektrum fallen könnten. Grundsätzlich sind Mädchen und Frauen unauffälliger und der Autismus ist schwerer zu erkennen. Es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Autistinnen als vermutet; da diese sich aber besser anpassen können, fällt dies zunächst weniger auf.

Overload, Meltdown, Shutdown

Diese drei Begriffe gibt es nur im autistischen Spektrum und bezeichnen unterschiedlich starke Reaktionen auf Stress. Diese können teilweise heftig sein, länger andauern und sich wiederholen. Wichtig ist es, möglichst zu vermeiden, dass Situationen entstehen, die eine der oben genannten Reaktionen hervorrufen. Da dies nicht immer möglich ist, ist eine Verbesserung der Stresstoleranz und ein gutes Stressmanagement zu erreichen. Eventuell ist es möglich, die Zeiträume zu verlängern und ein Unterbrechen der Reaktionen zu ermöglichen.

Herausforderndes Verhalten

Herausforderndes Verhalten entsteht unserer Meinung nach, wenn jemand:

  • ein körperliches Unwohlsein hat (z. B. Schmerzen)
  • ein psychisches Unwohlsein hat (z. B. Angst)
  • die Kommunikation nicht versteht
  • die Situation nicht versteht

Begleiterkrankungen

Häufig entwickeln Menschen aus dem Spektrum Begleiterkrankungen, sog. Komorbiditäten, die behandelt werden sollten wie z. B. Depressionen, Traumafolgestörungen, ….

Diskrepanz zwischen Intelligenz und Alltagsfähigkeiten

Schwierig für die Umwelt ist häufig zu akzeptieren, dass es einen Unterschied zwischen dem IQ und der Alltagsfähigkeit gibt, da diese nicht miteinander zusammenhängen. Menschen, die sehr gut in ihrem Beruf sind, können im Alltag deutliche Einschränkungen haben und auf Assistenzleistungen angewiesen sein. Natürlich können einige Dinge gelernt und andere durch den Fortschritt der Technik unterstützt werden – abgesehen davon, dass man nicht alles selbst können muss. Stichwörter „delegieren“ – „Abgeben“.

Intelligenzverteilung

Menschen aus dem Spektrum haben eine normalverteilte Intelligenz, unabhängig von der Form des Autismus oder der Verbalsprache. Auch Nichtsprecher können intelligent sein.